Samstag, 25. September 2010

Begehung der ZEA/LGU Nostorf-Horst gerät zur Farce (Flüchtlingsrat HH)

Hallo, 

ich möchte auf die nachfolgende Presseerklärung des Flüchtlingsrats Hamburg aufmerksam machen:

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Anfang der weitergeleiteten E-Mail:

Von: Flüchtlingsrat Hamburg
Datum: 24. September 2010 12:39:57 MESZ
An: Coyote-Liste


flüchtlingsrat hamburg

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Presseerklärung:
                                                                                                                             Hamburg, den 24.09.2010
 
Begehung der ZEA/LGU Nostorf-Horst gerät zur Farce:
Flüchtlinge erhalten keine Chance, ihre Forderungen den Verantwortlichen vorzutragen und stellen Strafanzeigen gegen MitarbeiterInnen des medizinischen Dienstes
          

Auch bei der gestrigen Begehung der ZEA/LGU Nostorf/Horst, zu der das Innenministerium Mecklenburg-Vorpommern eingeladen hatte, erhielten die dort zwangsweise untergebrachten Flüchtlinge nicht die Möglichkeit, ihre Forderungen den anwesenden PolitikerInnen  und BehördenmitarbeiterInnen vorzustellen und diese mit ihnen zu diskutieren, obwohl dies vom Flüchtlingsrat Hamburg gleich zu Beginn der Begehung gefordert wurde. Auch eine Beteiligung der Flüchtlinge an der Begehung lehnten der Staatssekretär des Innenministeriums,
Herr Lenz, und der Leiter der ZEA/LGU Nostorf/Horst, Herr Trzeba, ab.  Dabei wurden die Flüchtlinge bereits in der vergangenen Woche dazu aufgefordert, ihre Forderungen zu formulieren und es wurde ihnen zugesagt, dass sie Gelegenheit erhalten, diese vorzutragen und mit den Verantwortlichen zu diskutieren.

 
Stattdessen wurde den bei der Begehung Anwesenden von Herrn Lenz und Herrn Trzeba ein Vortrag über die
„Vorbildlichkeit“ der Unterbringung und medizinischen Versorgung von Flüchtlingen in Nostorf/Horst gehalten, der in krassem Gegensatz zu den Berichten der Flüchtlinge stand.  Auf kritische Nachfragen von JournalistInnen, die in den vergangenen Tagen mit zahlreichen Flüchtlingen gesprochen und von deren verzweifelter Situation in Nostorf/Horst erfahren hatten, erklärte Herr Lenz, dass es aufgrund der stark gewachsenen Zugangszahlen in den letzten Monaten zu Engpässen bei der medizinischen Versorgung und der Essensversorgung der Flüchtlinge gekommen sei. Dem, so Herr Lenz, solle jetzt dadurch entgegengewirkt werden, dass ein weiterer Arzt eingestellt werden und die Essensausgabe in Zukunft in zwei Schichten erfolgen solle.
 
Die Ausführungen von Herrn Lenz und Herrn Trzeba lassen jegliche Einsicht in die grundsätzliche Kritik von Flüchtlingen und Flüchtlingsorganisationen vermissen: Bewusste Isolation der Flüchtlinge mit dem Ziel, Kontakte zu Beratungsstellen, RechtsanwältInnen, kompetenten ÄrztInnen und UnterstützerInnen zu verhindern. Hierdurch wird den Betroffenen, die sich im deutschen Rechtswesen gar nicht auskennen und zudem der deutschen Sprache nicht mächtig sind, gezielt die Chance auf ein faires rechtsstaatliches Asylverfahren verwehrt. Systematische Unterversorgung, wie z.B. im medizinischen Bereich sollen im Verborgenen bleiben und die Menschen durch die erlebte Ausgrenzung, das Verbot selbst zu kochen, durch den Entzug von Privatsphäre und die Monotonie des Lagerlebens systematisch demoralisiert und psychisch zerstört werden.
 
So kann die Präsentation von klinisch reinen Räumen des Medizinischen Dienstes in Nostorf/Horst nicht darüber hinwegtäuschen, dass dort Flüchtlingen in vielen Fällen medizinische Hilfe verweigert wird, was vom Flüchtlingsrat Hamburg in zahlreichen Fällen dokumentiert wurde. Es kam sogar vor, dass Menschen, die dort um medizinische Hilfe nachfragten, beleidigt und unter Druck gesetzt wurden. Noch am Tag der Begehung wurden von zwei Flüchtlingen Strafanzeigen wegen Beleidigung und Nötigung gegen Mitarbeiter bzw. Mitarbeiterinnen des medizinischen  Dienstes gestellt.
 
Im ersten Fall wurden Frau E., die in der 13. Woche schwanger ist und ihr Mann am Tag der Begehung, d.h. am 22.09.2010, von einer Krankenschwester des Medizinischen Dienstes mit den Worten: „You are crazy, you are an idiot, Scheiße“ beschimpft. Frau E. war am  Dienstag, dem 21.09.10 von BesucherInnen aufgrund gesundheitlicher Beschwerden, die schon längere Zeit andauerten, zu einer gynäkologischen Praxis nach Boizenburg gebracht worden, wobei festgestellt wurde, dass sie stationär im Krankenhaus behandelt werden müsse.  Da Frau E. keine Sachen zum Anziehen bei sich hatte, verabredete sie mit der Ärztin, dass sie nach Nostorf/Horst zurückfährt und am nächsten Morgen von dort ins Krankenhaus gebracht wird. Am 22.09.2010 wurde Frau E. und ihr Mann dann morgens früh aufgefordert, den medizinischen Dienst aufzusuchen und dort in der dargelegten Form beleidigt. Frau E. war zuvor vom Medizinischen Dienst mehrfach trotz erheblicher gesundheitlicher Probleme eine Überweisung zu einer Gynäkologin verweigert worden. Stattdessen war sie aufgefordert worden, Wasser zu trinken und Schmerzmittel zu nehmen, was sie dann aber nicht tat, um nicht die Gesundheit ihres Kindes zu gefährden.
 
Der zweite Fall betrifft  Herrn S., der als erster der Flüchtlinge in Nostorf/Horst in den Hungerstreik getreten ist.
Am Montag, dem 20.09.2010 ging es Herrn S. nach 9 Tagen Hungerstreik sehr schlecht und ihm wurde von UnterstützerInnen angeraten, sich eine Infusion geben zu lassen. Nachdem Bedienstete der Unterkunft mehrfach darauf hingewiesen wurden, dass es Herrn S. sehr schlecht gehe und er eine Infusion benötige, wurde er zum Medizinischen Dienst bestellt, wohin er, gestützt durch Begleiter, gegangen ist. Dort angekommen wurde er von seinen Begleitern getrennt und von einem Bediensteten in einen Raum des medizinischen Dienstes gebracht.
Dort fuhr ihn der Bedienstete, so Herr S., mit den Worten an: “Was wollen sie, wir werden sie morgen nach Afghanistan abschieben“. Herr S. fing nach eigenen Angaben an, am ganzen Leib zu zittern und fragte nach einem Glas Wasser. Als sich der Bedienstete von ihm entfernte, um ein Glas Wasser zu holen, stürzte Herr S. aus dem Zimmer und flüchtete zu seinen Begleitern, die ihn dann in sein Zimmer zurück brachten.

 
Der Flüchtlingsrat Hamburg fordert die sofortige Einleitung eines Untersuchungsverfahrens aufgrund der geschilderten Vorfälle und der völlig unzulänglichen medizinischen Versorgung der in der ZEA/LGU Nostorf/Horst untergebrachten Menschen. Die medizinische Versorgung der in der ZEA/LGU lebenden Menschen ist in Rücksprache mit der Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern sofort durch qualifizierte AllgemeinmedizinerInnen  und FachärztInnen außerhalb der ZEA/LGU sicherzustellen. Qualifizierte Übersetzerinnen und Übersetzer für die Arztbesuche sind bereit zu stellen.
 
Zudem fordert der Flüchtlingsrat Hamburg die Schließung der Landesgemeinschaftsunterkunft Nostorf/Horst und die Verlegung der zentralen Erstaufnahmeeinrichtung nach Rostock oder Schwerin.
 
Die Hamburger Innenbehörde fordern wir auf, ab sofort keine Menschen mehr in der ZEA Nostorf/Horst unterzubringen und die dort lebenden Hamburg zugewiesenen Flüchtlinge unverzüglich nach Hamburg zurück zu verlegen.
 
Vor allem fordern wir, dass die verantwortlichen PolitikerInnen und BehördernvertreterInnen endlich mit den Flüchtlingen selbst statt über ihre Köpfe hinweg reden und dass sie dafür DolmetscherInnen ihres Verrauens und UnterstützerInnen hinzuziehen können!
 
Darüber hinaus fordern wir für alle Menschen:
- Wohnungen statt Lager!
- Bewegungsfreiheit und freie Wahl des Wohnortes!
- Bleiberecht und gleiche Rechte für alle!

 
 
Für den Flüchtlingsrat Hamburg
 
Dr. Franz Forsmann
 
 
Sie können mich unter der Tel.-Nr. 015787926260 erreichen.
 


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