Anfang der weitergeleiteten E‑Mail:
Von: Janne Ellenberger
Welt im Wandel PtII
Die Welt ist im Wandel.
Eine globale Revolte ist im Gange, allerorten.
Die verändernden Kräfte stecken mitten in der Pubertät, in einer Zeit der Umwälzung – wir haben es satt, uns noch an überbrachte Normen, Moral, Verbote und Regeln zu halten, die das Überleben auf diesem Planeten gefährden. Wir können nicht mehr still halten, wir wissen sehr genau, was wir nicht wollen, was wir nicht mehr ertragen können und sind geeint in einem einstimmigen: Nein! Wir haben eine Ahnung davon, dass es danach mehr gibt und wissen doch noch nicht so recht, wohin. Wie Teenager sind wir auf der Suche nach einer neuen Identität – einer neuen globalen Menschheitsidentität. An diesem Punkt wird sich entscheiden, wie viel Blut die Revolution kosten wird und ob sie diesmal gelingen wird.
Der Erfolg der heutigen Revolution wird davon abhängen, ob wir lediglich ein paar Gesichter und Namen austauschen oder ob wir in der Lage sein werden, eine komplett neue Kultur aufzubauen.
Es mangelt uns nicht an Lösungen. Aber es wird darauf ankommen, ob wir sie zum Wohle des Lebens einsetzen oder nur mit neuen Werkzeugen so weiter bauen, wie bisher – an einem Haus, das uns alle unter sich begraben wird, wenn wir nicht die Bauweise ändern.
Der Erfolg dieser Revolution wird davon abhängen, ob wir weiter im System der Feindschaft bleiben, das man uns von klein auf beigebracht hat, einem System, in dem unser Menschenleben sich in einem andauernden Wettlauf befindet, permanent aufgespannt zwischen den Polen von Richtig und Falsch – gejagt von der Angst vor dem Falsch-Sein, vor den Verurteilungen und gleichzeitig jagend nach irgendeinem Zeichen, das in diesem Wertesystem einen Funken Anerkennung und Liebe zu versprechen scheint, immer in der Hoffnung noch einmal unsere Unperfektheit verstecken zu können.
Dies ist ein System, in dem andere automatisch zu Feinden werden müssen, damit wir die vermeintliche Jagd ums Überleben – ob äußerlich oder innerlich – gewinnen können.
Der Erfolg unserer Revolution wird davon abhängen, ob wir es schaffen können, einander wieder zuzuhören, uns als Menschen zu sehen und zu schätzen. Ob wir Umstände schaffen können, in denen ein Mensch sich wieder traut, sein Herz zu öffnen und zu lieben. Ob wir es schaffen werden, einander wieder wirklich zu begegnen, ohne Urteil über den anderen, in reiner Menschlichkeit. Letzlich daran, ob wir in der Lage sein werden, einander wieder zu vertrauen.
Nicht nur ein paar Machthaber machen uns krank. Es ist das System, in dem wir leben, ein System, in dem kein frischer Wind der Freiheit mehr weht.
Und damit meine ich nicht nur die Freiheit, die so viele Frauen einbüßen, deren Leben von deren Männern bestimmt wird; nicht nur die Freiheit, die jene schmerzlich vermissen, die in Gefängnissen und Folterkellern sitzen; die Freiheit ganzer Völker, die von machthabenden Regimen an sich gerissen wird.
Ich meine auch die Freiheit, die wir aufgeben, wenn wir meinen, die Medien, Werbung, unsere Lehrer , Regierungen oder sonstige Autoritäten wüssten, was die Wahrheit ist, wüssten, was wir tun und denken, kaufen oder wählen sollten, kurz – wie und wer wir sein sollten.
Ich meine vor allem die Freiheit, wir selbst zu sein.
Die Freiheit, die Wahrheit zu denken und auszusprechen, ganz egal in welches Bewertungssytem sie passt oder nicht.
Mit dieser Revolution liegt eine große Aufgabe vor uns, und wenn wir wirklich eine andere Welt wollen, glaube ich nicht, dass wir umhin kommen, sie anzunehmen. Dann müssen wir nicht nur Regime stürzen, nicht nur ein Wirtschaftssystem, das auf Ausbeutung beruht. Dann müssen wir ein ganzes Denksystem stürzen. Dies ist auch – und das ist vielleicht das Schwierigste daran – unser eigenes Denksystem!
Und dann müssen wir ein neues schaffen, vielleicht ein nie dagewesenes.
Eines, in dem Liebe nicht mehr gekoppelt ist daran, was ein Mensch tut oder nicht.
In dem wir niemandem mehr die Macht über uns geben, uns weiß zu machen, wir müssten Angst haben, wir müssten andere als unsere Feinde sehen; uns weiß zu machen, es gäbe nicht genug für uns alle und am Ende würde nur der Stärkere überleben.
Ein System, in dem wir einfach nicht mehr mitmachen, andere Menschen zu hassen oder uns vor ihnen zu fürchten.
Eines, in dem wir mit dem verzweifelten Kampf ums „Richtig“-Sein endlich aufhören, still werden und den Himmel wahrnehmen, der in uns leuchtet.
Wenn wir das Zeitalter der Angst, des Hasses und der Ausbeutung entgültig beenden wollen, müssen wir eine Kultur aufbauen, in der Wahrheit, Vertrauen, Mitgefühl und wahre Achtung vor allem Leben wieder ihren Platz haben.
Wenn wir eine Revolution wollen, die sich lohnt, dann sollten wir sie diesmal ganz machen. Denn es geht ums Ganze.
Dazu müssen wir bei uns selbst anfangen. In unseren eigenen Herzen, die von Sperrmauern und Stacheldrähten durchzogen sind. In unseren Köpfen, in denen wir zulassen, dass die Angst unsere Gedanken und damit unser Handeln regiert. In unseren Beziehungen, in unseren Gruppen, Familien und Gemeinschaften, in die sich immer wieder der Krieg einschleicht. Wir werden lernen müssen, wie wir diesen Krieg beenden, ohne ihn mit neuer Gewalt zum Schweigen zu bringen. Vielleicht werden wir eine ganz neue Sprache erlernen müssen, die uns nicht mehr in die alte Falle der Missachtung reißt und ganz neue Wörter erdenken für das, was wir erst noch entdecken werden.
Lasst uns ein Leben aufbauen, das bricht mit der Langeweile der ewig ums Gleiche kreisenden Gedanken, ein Leben, das wieder von Sinn erfüllt ist!
Ich habe Hoffnung, dass diese Revolution glücken wird – wenn wir sie wirklich wollen.
Und diese Revolution wird tief sein, sie wird bis auf unseren Grund reichen. Sie wird sich nicht mit Barrikaden und Besetzungen zufrieden geben, nein, sie wird einfordern, bis in unseren tiefsten menschlichen Kern vorzudringen und sich von hieraus wieder mit geöffnetem, weiten Herzen der Welt zuzuwenden. Sie wird uns erkennen lassen, wieviel Welt in uns selbst ist und wie sehr wir selbst die Welt sind.
Und deshalb werden wir die Veränderung sein.
Janne Ellenberger, September 2011
Jenseits von den Vorstellungen von Richtig und Falsch liegt ein Feld. Ich treffe dich dort.
Out beyond the world of right doings and wrong doings, there is a field. I meet you there
Rumi
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