Zur Sitzung der KMK, zu der die oben genannten Verbände eingeladen waren, gaben diese nachfolgend zitierte gemeinsame Erklärung ab.
Gemeinsame Erklärung zur Überarbeitung der Empfehlungen der KMK zur sonderpädagogischen Förderung von 1994
Wir begrüßen die Absicht der Kultusministerkonferenz, die Emp-fehlungen zur sonderpädagogischen Förderung aus dem Jahr 1994 nach der Ratifizierung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen zu überarbeiten. Die Zielsetzung – Umsetzung der UN-Konvention - sollte in der Arbeit der Kultus-ministerkonferenz deutlich zum Ausdruck kommen, auch indem die bisherige defizitorientierte Perspektive durch ein stärker teilhabe-bezogene Betrachtung ersetzt wird. Gerne beteiligen wir uns an dem in Gang gesetzten Diskussionsprozess.
Die neuen Empfehlungen sollen den Weg bahnen in ein inklusions-fähiges Bildungssystem, das den Anforderungen sowohl der UN-Kinderrechtskonvention (KRK) als auch der UN-Behinderten-rechtskonvention (BRK) gerecht wird. Ziel ist es, das allgemeine Bildungssystem für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen und besonderen Bedürfnissen beim Lernen zu öffnen und ihnen damit gleichberechtigte Teilhabe an Bildung und am Leben in der Gesell-schaft zu ermöglichen. Sonderpädagogische Kompetenz muss gemäß ihrem subsidiären Charakter im Rahmen des allgemeinen Bildungssystems fruchtbar gemacht werden, um die Qualität von Bildung für alle Kinder zu sichern.
- Der gemeinsame Schulbesuch ist für alle Kinder mit und ohne Förderbedarf der Regelfall. Davon kann nicht gegen den Willen der Betroffenen abgewichen werden. Maßgeblich für die Wahl der Schulform ist der Wille der betroffenen Kinder und ihrer Eltern.
- Spezielle Bedürfnisse beim Lernen oder beim Zugang zu Bildung werden im Rahmen des Besuchs der allgemeinen Schule erkannt, beschrieben und umgehend gedeckt. Offensichtliche oder bereits von anderer Seite beschriebene behinderungsbedingte Bedarfe, etwa bei Körper- und Sinnesbehinderungen (z. B. Barrierefreiheit, Assistenz, Nachteilsausgleich, angemessene Kommunikationsformen) werden bereits zum Eintritt in die allgemeine Schule zur Verfügung gestellt.
- Die Feststellung spezieller Bedürfnisse beim Lernen oder beim Zugang zu Bildung ist grundsätzlich kein Anlass, Kinder und Jugendliche aus dem allgemeinen Bildungssystem zu verweisen. Dies betrifft sowohl Kinder, die zielgleich lernen, als auch solche, die nicht zielgleich lernen. Vielmehr muss in Umfang und Qualität bedarfsgerechte Förderung, Unterstützung und Assistenz zum Kind gebracht werden. Präventive Aspekte sind zu berücksichtigen.
- Die allgemeine Schule muss diese Aufgabe annehmen, darauf eingestellt und vorbereitet werden. Es ist anzuerkennen, dass die Lehrerinnen und Lehrer des Primar- und Sekundar-stufenbereichs Hauptakteure in diesem Prozess sind. Sie müssen daher von Beginn an beteiligt werden. Erkenntnisse aus anderen Ansätzen zur Reform des Bildungswesens, wie etwa Umgang mit Heterogenität im Klassenraum, müssen genutzt werden. Auf absehbare Zeit sind intensive Fortbildung und begleitende Beratung von Lehrerinnen und Lehrern zur Entwicklung von inklusiven Strukturen notwendig. Die Lehrerbildung muss den neuen Erfordernissen von Grund auf angepasst werden.
- Mittel sind so zu steuern, dass sie dem bedarfsgerechten Ausbau inklusiver Strukturen dienen. Dazu sind die tatsächlichen Kosten der Systeme der allgemeinen und der Sonderschulen über die beteiligten Finanztöpfe hinweg zu erheben, zu veröffentlichen und für gemeinsame Beschulung verfügbar zu machen.
- Alle bereits bestehenden und noch zu schaffenden Strukturen sind darauf hin zu überprüfen, ob, wie und mit welcher Effektivität sie inklusive Bildung ermöglichen.
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